EBM – Reform zum 1. Oktober 2013 – Was ändert sich in der Praxis?

Zum o. g. Datum wurde ein neuer EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) mit insbesondere umfangreichen Veränderungen  im Hausarztkapitel  nach Beschlüssen des Bewertungsausschusses eingeführt. Für die tägliche Praxis resultieren hieraus sehr komplexe Veränderungen, die sich unter anderem auf die Mitbehandlung bei Überweisung von Hausärzten aber auch bei der Erbringung  spezialisierter Leistungen für unsere Hausartpatienten erheblich auswirken.

Nach erstem Fazit nahezu aller Experten und Verbände und hier insbesondere auch des Hausärzte – Verbandes wird der neue EBM für die meisten Hausarzt – Praxen im Umsatz mit einem deutlichen Minusbetrag nach Schätzungen bis zu 15% einhergehen. Eine eigene Vorkalkulation fällt durch unsere bestehende, von der normalen Hausarztversorgung teils deutlich abweichende Praxisstruktur noch negativer aus.

Welche Alternativen bleiben uns in der aktuellen Situation?
Erstens die Praxis als reine Hausarztpraxis weiterführen. Dies würde bedeuten, die umfangreiche Mitbehandlung für Patienten auf Überweisung durch ihren Hausarzt in unseren Schwerpunkten Akupunktur, Manuelle Medizin,  Schmerztherapie, Rheumatologie und Sportmedizin komplett einzustellen. Mit hohem finanziellem und zeitlichem Aufwand erworbene Zusatzqualifikationen würden so nur noch unseren eigenen Patienten zur Verfügung gestellt werden. Der Hausarzt müsste dann an Facharztpraxen überweisen, die teils zeitlich, organisatorisch aber auch fachlich nicht immer in der Lage wären, diese Leistungen zu erbringen. Wir würden uns dann auf geförderte Themen wie Chronikerbehandlung, Geriatrie, palliative  Medizin und „problemorientiertes Gespräch“ fokussieren und somit unseren Umsatzeinbuch mindern.

Zweitens und alternativ hierzu wäre weiterhin aber sehr diffizile Mitbehandlung von Überweisungspatienten unter strenger Beachtung der Folgen aus dem EBM möglich, wenn
Verständnis für die sensible Situation auf allen beteiligten Seiten vorliegt. Bei Überweisung aber auch im Vertretungsfall für einen  Kollegen bei deren Abwesenheit wird unsere ärztliche Leistung z. B. für den Patienten vom 19. bis zum vollendeten 54. Lebensjahr mit 6,10 EUR oder ab Beginn des 76.Lebensjahres mit 10,50 EUR honoriert. Ein wiederholter Kontakt löst keinerlei Honorar aus! Bei einer dritten Konsultation im Quartal würde die einzelne Behandlung also knapp über 2,00 EUR Gewinn für die Praxis erbringen. Dies wird so nicht gehen!

Bei sogenannten  „hausarztuntypischen Leistungen“ wie Akupunktur und Schmerztherapie, denken Sie nur an unsere zahlreichen spezifischen Injektionstechniken, wird auch  für den Hausarztpatienten keine Vorhaltepauschale von  14,00 EUR und kein Chronikerzuschlag von 13,00 bzw. 15,00 EUR gezahlt. In diesen aufgezeigten Fällen erhalten wir für umfangreiche Beratung und Erörterung der Krankheitssituation des Patienten keinen Cent.
Dieses Honorar erhalten wir aber für alle anderen Patienten, natürlich nur bei Erbringung der Leistung. Hierzu müssen wir organisatorische Abläufe ändern. Wir werden zur finanziellen Absicherung der Praxis und zur Minimierung unserer Verluste Leistungen der Geriatrie, Beratung mit Honorierung  und auch ein Mehr an Gesundheitsvorsorge, wie  Gesundheitschecks, Jugendgesundheitsuntersuchungen, Krebs – und Hautkrebsvorsorge erbringen müssen.

Nur bei Verständnis auch für die Probleme und Wirtschaftlichkeit einer Praxis auf beiden Seiten wird es meines Erachtens zukünftig möglich sein, eine qualifizierte und eben auch „hausarztuntypische“ Praxis, wie die unsere, weiterhin betreiben zu können.
Da eine Ausweitung der Sprechstundenzeiten mit Präsens vor Sprechstundenbeginn und zumeist Überziehen jeder Sprechstunde von über einer Stunde völlig irreal ist, bleibt uns nur die Kontaktfrequenz zu minimieren und nicht honorierte Leistungen deutlich zu reduzieren.
Bis auf medizinisch begründete Ausnahmefälle werden Überweisungspatienten nicht langfristig mitbehandelt. Hier ist dann der Hausarzt nach schneller Rückinformation durch uns der weiter betreuende Arzt, zum Beispiel für die Arzneimitteltherapie oder auch die Verordnung und Kontrolle der physikalischen Therapie. Bei absehbarer Langzeitbehandlung sollte dieser dann an die entsprechenden Fachrichtungen wie Orthopädie, Schmerztherapie etc. überweisen.
Und hier noch ein Appell an unsere Hausarztpatienten.
Eine Praxisfrequenz von Besuchen bis zu 10 – 15  im Quartal in nicht wenigen Fällen stellt für die Praxis eine erhebliche  Belastung dar. Auch hier geht unser Ertrag für die einzelne Behandlung dann gegen die Nulllinie. Bei echter medizinischer Indikation sind wir gerne bereit, auch diese Leistungen zu erbringen, zumeist besteh diese aber nicht. Also auch Selbsthilfe, Bündelung von Problemen zu vereinbarten Terminen ist oft eine effektive Maßnahme.

Wollen Sie nicht, dass wir als Hausarztpraxis mit umfangreichen Spezialisierungen  das Handtuch werfen  und uns ausschließlich den Privatzahlern widmen oder aber „typischer“ Hausarzt  werden, so unterstützen Sie uns durch korrektes Verhalten,  wie im Artikel aufgezeigt, haben Akzeptanz für längere Wartezeiten, Verständnis für unser notwendiges wirtschaftliches Denken und unterstützen uns durch ihre Compliance. Wir werden es ihnen mit bestmöglicher medizinischer Versorgung auch unter extrem schwierigen Rahmenbedingungen danken.

Ihr Praxisteam im Oktober 2013